Nela Softic-Rehm

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19. Mai 2025


Von der Halteprämie zur Vergütung: Was das BAG-Urteil über VSOPs für Arbeitgeber bedeutet

Von der Halteprämie zur Vergütung: Was das BAG-Urteil über VSOPs für Arbeitgeber bedeutet

Gekürztes Fachinterview

Teilnehmer:

Kontext: Am 19. März 2024 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinem Urteil (Az. 10 AZR 67/24) entschieden, dass gevestete virtuelle Anteile (VSOPs), die als Gegenleistung für Arbeitsleistung gewährt wurden, nicht ohne Weiteres verfallen, weil es in den Vertragsbedingungen so geregelt ist. Das Urteil hat unmittelbare Auswirkungen auf viele Beteiligungsprogramme in Startups und Scaleups. Die Pressemeldung zum Urteil findet sich hier: BAG Pressemitteilung Nr. 12/24 vom 19.03.2024

Titel: „Von der Halteprämie zur Vergütung: Was das BAG-Urteil über VSOPs für Arbeitgeber bedeutet“

Ein Gespräch mit Arbeitsrechtlerin Nela Softic-Rehm (braks.legal) und Steuerberater Florian Völkner (KMpro München)

Matthias Hofmuth:

Das BAG hat mit seiner Entscheidung ein klares Signal gesendet: Virtuelle Anteile sind nicht per se ein Haltebonus – sie sind unter bestimmten Voraussetzungen Teil des Lohns. Was bedeutet das für bestehende Beteiligungsprogramme in Startups?

Nela Softic-Rehm:

Das Urteil ist ein Wendepunkt. Es beschäftigt sich mit der Frage, ob gevestete virtuelle Anteile eine arbeitsrechtlich relevante Gegenleistung darstellen. Viele bestehende Programme sollten jetzt dringend überprüft werden – besonders hinsichtlich pauschaler Verfallklauseln. Denn das Bundesarbeitsgericht stellt auf den Charakter der Beteiligung ab: Ist sie leistungsbezogen oder dient sie nur als Halteinstrument? Das war für das Bundesarbeitsgericht entscheidend für die Frage der Wirksamkeit der Verfallklausel nach Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer.

Florian Völkner:

Auch wenn das steuerliche System davon formal noch unberührt bleibt, wird das Urteil erhebliche Auswirkungen, insb. in der Start-Up Szene  haben. Unternehmen mit virtuellen Beteiligungsprogrammen sollten ihre Programme auf den Prüfstand stellen und neu bewerten.

Matthias Hofmuth:

Was sollten Unternehmen tun, die in den letzten Jahren Exits durchgeführt haben und dabei Anteile ausgeschiedener Mitarbeitender als verfallen betrachtet haben?

Nela Softic-Rehm:

Sich fachkundig beraten lassen und die rechtliche Überprüfung darauf ausdehnen, ob mit Ansprüchen ehemaliger Mitarbeiter zu rechnen ist. Hier ist eine Risikobewertung angezeigt. Die Unternehmen sollten diese Fälle identifizieren, Die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme prüfen lassen und Rückstellungen bilden, wo nötig.

Florian Völkner:

Und dabei aufpassen: Rückstellungen sind nicht in jedem Fall sofort nötig – aber je nach Einzelfall zu prüfen, wie wahrscheinlich eine Inanspruchnahme sein kann; insb. wenn bereits ein Trigger-Event stattgefunden hat. Daher die Empfehlung auch die ausgeschiedenen Mitarbeiter mit den verfallenen Anteilen zu bewerten.

Matthias Hofmuth:

Wie sieht es mit typischen Klauseln wie Cliff-Vesting oder „Bad Leaver“-Klauseln aus?

Nela Softic-Rehm:

Auch das sollte man sich noch einmal ansehen. Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Fall das gesamte Programm nach Anhaltspunkten abgesucht, die für eine “Leistungsvergütung” sprechen und nicht nur für eine sog. Halteprämie. Es reicht nicht mehr, pauschal zu sagen: „Bei Ausscheiden verfällt alles.“ Gerade bei leistungsbezogenen Programmen, wie sie viele Startups aufsetzen, wird das wohl nicht mehr halten.

Matthias Hofmuth:

Welchen Handlungsspielraum haben Startups jetzt noch?

Florian Völkner:

Sie sollten vor allem eines: ihre Programme strukturieren. Strike Prices sollten nicht einfach „100 €“ heißen, nur weil es einfach ist. Cap Tables müssen klar zwischen echten und virtuellen Anteilen unterscheiden. Und es braucht ein wirtschaftlich belastbares Bewertungskonzept.

Nela Softic-Rehm:

Und die Programme dürfen nicht überfrachtet sein. Es hilft niemandem, wenn ein ESOP-Dokument 80 Seiten lang ist und niemand versteht, was wirklich gilt. Klarheit, Verständlichkeit und Angemessenheit – das sind die Kriterien, die zählen.

Matthias Hofmuth:

Welche politische Dimension hat das Urteil? Was bedeutet es im Zusammenspiel mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz?

Nela Softic-Rehm:

Es zeigt, wie dringend eine klare gesetzliche Regelung für virtuelle Beteiligungen gebraucht wird. Das Steuerrecht allein reicht nicht – das Arbeitsrecht muss mitgedacht werden. Sonst bauen wir rechtlich riskante Konstrukte, die beim Exit plötzlich zusammenbrechen.

Florian Völkner:

Und wir brauchen diese Modelle. Sonst verlieren wir im globalen Wettbewerb – weil wir keine attraktiven und rechtssicheren Anreizsysteme anbieten können. Gerade München, Berlin, aber auch Regionen wie Aachen zeigen, wie viel Innovationskraft in Deutschland steckt – aber dafür brauchen wir einen verlässlichen Rahmen.

Matthias Hofmuth:

Was gebt ihr Unternehmen abschließend mit?

Nela Softic-Rehm:

Macht Euch Gedanken darüber, was Euer Beteiligungsprogramm wirklich bezwecken soll– und passt es entsprechend an. Wartet nicht auf das nächste Urteil.

Florian Völkner:

Und: Arbeitet interdisziplinär. Nur wenn Legal, Tax und Finance an einem Strang ziehen, entstehen Beteiligungsmodelle, die Unternehmen und Talente wirklich weiterbringen.

Hinweis: Dieses Interview ersetzt keine individuelle Rechts- oder Steuerberatung. Unternehmen sollten bestehende Programme mit spezialisierten Kanzleien prüfen.

Nela Softic-Rehm

#arbeitsrecht

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