Nela Softic-Rehm

Nela Softic-Rehm

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6. September 2023


The great Retention – was geht und was hat Liebe am Arbeitsplatz zu suchen ?

The great Retention – was geht und was hat Liebe am Arbeitsplatz zu suchen ?

“Out With the Great Resignation, In with The Great Retention: How To Keep valuable Employees in 2023?”

titelt das Forbes Magazin Ende 2022 und spricht aus, was viele Unternehmen auch in Deutschland beschäftigt.

Die Mitarbeiterbindung wird ein zunehmend wichtiges Thema. Nicht nur, dass es schwer ist gute Mitarbeiter überhaupt zu bekommen, es ist auch schwer sie zu halten. Mobiles Arbeiten und Digitalisierung haben viele Arbeitsplätze entpersonalisiert. Mitarbeitende fühlen sich weniger emotional an ein Unternehmen gebunden. Die Wechselbereitschaft ist groß.

Wie aber und was aber kann ein Unternehmen alles anbieten und was gilt es hierbei rechtlich zu beachten?

Es ist ein komplexes Feld, das neben AGB-rechtlichen Aspekten auch etwaige Beteiligungsrechte des Betriebsrates berücksichtigen muss; Am Ende aber dazu führen soll, dass der Wellbeing-Faktor des Mitarbeitenden am Arbeitsplatz so hoch wird, dass der Wechselwille sinkt.

4 wesentliche Faktoren bei der Zufriedenheitsbewertung durch Mitarbeitende sind

I. Zeit

Über die eigene Ausgestaltung der Arbeitszeit autonom zu entscheiden ist heute für viele ein wichtiger Faktor. Werte, wie Work-Life-Balance oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind auf der Skala ganz nach oben geklettert.

Unternehmen versuchen diesem Bedürfnis mit einer Flexibilisierung nachzukommen und unterschiedliche Arbeitszeitmodelle anzubieten.

Die Rechtsprechung des EuGH und zuletzt des Bundesarbeitsgerichts zur Erfassung von Arbeitszeiten machen eine flexiblere Handhabung nicht einfacher, es ist aber dennoch möglich. Die Vertrauensarbeitszeit ist nicht obsolet, sie muss nur dennoch erfasst werden

Weitere Freiheiten kann das Unternehmen aber auch durch zum Beispiel Teilzeitmodelle, Sabbaticals oder Job-Sharing einräumen. Zu beachten ist, dass ggf., der Betriebsrat nach § 87 I Nr. 3 BetrVG Mitbestimmungsrechte hat.

II. Geld

Der vordergründig wesentlichste Faktor ist das Gehalt. Die Möglichkeiten Seitens der Unternehmen hängen in jedem Einzelfall von dessen Wirtschaftsstärke und der Zukunftsprognose ab.

Mitarbeiter ausschließlich darüber zu binden, dass man überdurchschnittlich viel bezahlt, ist ein gewagtes Unterfangen mit nur zeitlich geringen Effekten, wenn der Wohlfühlfaktor ansonsten nicht bedient wird. Gleichzeitig sind Unternehmen aber auch davon abhängig, das Mitarbeitende auch engagiert zum Unternehmenserfolg beitragen wollen.

Klassisches Mittel erster Wahl ist der Bonus, eingebettet in eine persönliche Jahreszielvereinbarung. Ob das die gewünschten Anreize auslöst, mag dahingestellt sein.

Einzug in die Unternehmenswelt nimmt hingegen immer mehr der sog. Retention-Bonus.

Das ist eine Prämie für die künftige Treue des Mitarbeitenden.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinen Urteilen vom 14.11.2012 und 12.9.2013 festgelegt, dass eine Klausel, die eine Sonderzahlung ausgibt, aber auch als Vergütung bereits erbrachter Arbeitsleistung zu betrachten ist und daran knüpft, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch fortbesteht, unwirksam ist.

Es ist also auch hier Vorsicht geboten. Ausschlaggebend ist, ob mit der Leistung die bereits erbrachte Arbeitsleistung belohnt werden soll oder zumindest auch Vergütungszwecke verfolgt werden. Ein echter Retention-Bonus ist es also nur dann, wenn der Bonus nur für die künftige Betriebstreue bezahlt wird und nicht an die Leistungen eines Mitarbeitenden gekoppelt wird. Rechtlich schwierig kann es auch dann werden, wenn etwa pro-rata-temporis oder Rückzahlungsklauseln enthalten sind.

Hingegen sehr spannend aber bis dato gerade im Mittelstand nur zögerlich angenommen sind Mitarbeiterbeteiligungsprogramme.

Venture-Capital finanzierte Unternehmen versuchen die Motivation der Mitarbeitenden, dessen Identifikation mit dem Unternehmen und den Halteanreiz dadurch zu steigern, dass eine Beteiligung am Unternehmen eingeräumt wird. Dies kann durch echte Beteiligungen (Stock Options) geschehen oder durch virtuelle Beteiligungen (Virtual Shares oder Phantom Shares). Regelungsbedürftig sind vor allem die Zuteilungs- Auszahlungs,- und Verlustbedingungen. Hier sind detaillierte und klare Regelungen notwendig -nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Wenn noch steuer,- und lohnsteuerrechtliche Aspekte Berücksichtigung finden, spricht im Ergebnis aber nichts dagegen. Der Betriebsrat darf zudem nicht vergessen werden (§ 87 I Nr.10 BetrVG).

III. Ort

Hybrid, hybrid und noch einmal hybrid.

Von allen Dächern pfeifen es die Spatzen, dass der souveräne Mitarbeitende selbst entscheiden will, wo er seine Leistung erbringt. Einen Anspruch darauf haben Mitarbeitende grundsätzlich nicht.

Regelungsbedürftig sind neben sozialversicherungsrechtlichen Aspekten, auch die Frage von Kostentragungspflichten. Zur Sicherstellung der Arbeitsplatzgesundheit sollte dem Arbeitgeber auch ein Zutrittsrecht eingeräumt sein.

Wichtig ist es in diesem Zusammenhang eine Vereinbarung zu treffen, die u.a. auch eine klare Regelung dazu enthält, wann und wie die Parteien sich auch wieder von einem hybriden Arbeitsmodell loslösen können.

IV. Wertschätzung

Ein nicht zu unterschätzendes Mitarbeiterbindungstool – zudem vollkommen ungefährlich und kostenlos ist Wertschätzung.

Immerhin knapp 30 % (iHire’s 2022 Talent Retention Report) der Mitarbeiter bemängeln am Arbeitsplatz ungenügende Anerkennung oder Wertschätzung.

Unternehmen können Wertschätzung auf vielfältige Weise zum Ausdruck bringen. Dies kann sich in kleinen Aufmerksamkeiten, vergünstigten Fitnessstudios und Zuschüssen zu Wochenendreisen zeigen, oder aber im täglichen Umgang miteinander, auch und gerade in der Konfliktsituation.

Dafür, dass der Faktor Wertschätzung für so viele Mitarbeiter so wichtig ist, wird er in der Arbeitspraxis wenig in den Fokus genommen oder beschränkt sich auf Absichtserklärungen ohne fußende Effekte im Arbeitsalltag. Direkt verzahnt damit ist auch das Wertschätzungsverhalten direkter Vorgesetzter.

Wertschätzung hat ausschließlich positive Effekte. Nicht nur, dass Mitarbeitende gelöster miteinander umgehen. Eine gute Wertschätzungskultur führt auch dazu, dass man gerne in die Arbeit geht, Spaß hat und am Ende ganz freiwillig bereit ist, mehr oder besseres zu leisten. Zeit, Geld und Ort sind am Ende empfundenermaßen auch ein Ausdruck von Vertrauen und Wertschätzung.

Wenn alle Parameter stimmig sind, besteht eine große Chance, dass Liebe entsteht – die Liebe zum Arbeitsplatz – und wer liebt, der bleibt.

Nela Softic-Rehm

#arbeitsrecht

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