Ehrschutzklage nach Vorwürfen im Kündigungskontext: Wann sind Aussagen zulässig?

Ehrschutzklage nach Vorwürfen im Kündigungskontext: Wann sind Aussagen zulässig?

LAG Niedersachsen v. 7.4.2025 – 15 SLa 855/24

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine Teamleiterin Unterlassungsansprüche gegen einen Kollegen wegen belastender Aussagen im Rahmen eines Kündigungsverfahrens geltend machen. Ergebnis: Die Klage blieb erfolglos, und zwar aus mehreren rechtlichen Gründen.

Die Klägerin war langjährig als Teamleiterin bei einem mittelständischen Unternehmen beschäftigt. Ein Kollege aus der Personalabteilung hatte gegenüber dem Arbeitgeber geäußert, die Klägerin habe ihn 2020 während der Kurzarbeit dazu aufgefordert, fingierte Überstunden anzugeben, um wirtschaftliche Nachteile auszugleichen. Diese Aussagen fanden später Eingang in ein Kündigungsschutzverfahren gegen die Klägerin, das in einem Vergleich endete.

Daraufhin klagte die Klägerin gegen ihren Kollegen auf Unterlassung dieser Aussagen sie sah sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und warf ihm unwahre Tatsachenbehauptungen vor.

Was entschied das Gericht?

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. Die Begründung:

  1. Kein Rechtsschutzbedürfnis bei Äußerungen im Kontext rechtlicher Auseinandersetzungen
    Äußerungen, die im Rahmen der Vorbereitung oder Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens gemacht werden, genießen einen besonderen Schutz. Sie dürfen in der Regel nicht durch Ehrschutzklagen sanktioniert werden andernfalls könnte das rechtliche Gehör und der Ablauf eines rechtsstaatlichen Verfahrens beeinträchtigt werden.
  2. Kein Beweis für bewusst unwahre Behauptungen
    Zwar entfällt dieser Schutz bei wissentlich falschen Tatsachenbehauptungen, doch konnte die Klägerin nicht nachweisen, dass der Kollege bewusst die Unwahrheit gesagt hatte.
  3. Meinungsäußerung statt Tatsachenbehauptung
    Die beanstandeten Aussagen des Kollegen („nicht notwendige Überstunden“ und „Aufforderung zur Fiktion von Gründen“) wertete das Gericht als wertende Stellungnahmen also Meinungsäußerungen. Diese unterfallen grundsätzlich dem Schutz des Art. 5 GG (Meinungsfreiheit) und sind nicht ohne Weiteres zu untersagen.
  4. Keine Schmähkritik, keine Wiederholungsgefahr
    Die Aussagen stellten nach Auffassung des Gerichts keine Schmähkritik dar. Auch sei keine Wiederholungsgefahr gegeben, insbesondere weil der Kollege die Aussagen im engen Kontext der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung gemacht hatte nicht gegenüber Dritten oder in der Öffentlichkeit.

Der Fall zeigt exemplarisch, wie verfassungsrechtlich geschützte Meinungsäußerungen mit dem Ehrschutz einer betroffenen Person abgewogen werden müssen. Besonders in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten etwa bei Kündigungen ist nicht jede belastende Aussage automatisch unzulässig.

Ein Unterlassungsanspruch kommt nur in Betracht, wenn:

  • es sich nicht um eine geschützte Meinungsäußerung, sondern um eine nachweislich falsche Tatsachenbehauptung handelt und
  • diese nicht im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht wurde.

 

Fazit

Im Arbeitsrecht, insbesondere bei innerbetrieblichen Konflikten oder Kündigungen sind die Grenzen zwischen zulässiger Meinungsäußerung und ehrverletzender Behauptung oft schwer zu ziehen. Das Urteil des LAG Niedersachsen verdeutlicht, dass Äußerungen im Zusammenhang mit rechtlichen Auseinandersetzungen nur in engen Ausnahmefällen zu zivilrechtlichen Konsequenzen führen.