Fristlose Kündigung wegen bewusst falscher Aussagen im Prozess gegen den Arbeitgeber wirksam
LAG Niedersachsen v. 13.8.2025 – 2 SLa 735/24
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat entschieden, dass bewusst wahrheitswidrige Angaben eines Arbeitnehmers in einem Prozess gegen den Arbeitgeber einen wichtigen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung darstellen können.
Ein 58-jähriger Filialleiter eines E-Bike-Fachhandels hatte nach einer ordentlichen Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und zusätzlich eine Bonuszahlung in Höhe von 10.000 € eingeklagt. Zur Begründung legte er ein als Arbeitsvertrag bezeichnetes Schriftstück vor, das die Arbeitgeberin jedoch nie unterzeichnet hatte. Das Arbeitsgericht hatte zunächst entschieden, die fristlose Kündigung sei unwirksam das LAG sah dies anders.
Nach Unregelmäßigkeiten bei Inventuren und dem Verdacht auf Schwarzgeschäfte kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zunächst ordentlich und nach Zustellung der Kündigungsschutzklage zusätzlich außerordentlich und fristlos.
Das Arbeitsgericht hielt diese fristlose Kündigung für unwirksam. Die Begründung: Die Vorlage eines nicht unterzeichneten Vertrags sei kein Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht, sondern lediglich die Darlegung einer Rechtsauffassung.
Das LAG Niedersachsen beurteilte den Fall jedoch anders und hob die Entscheidung auf. Nach seiner Auffassung lag ein vorsätzlich falscher Tatsachenvortrag vor dem Kläger habe im Prozess bewusst eine unzutreffende Tatsachenbasis geschaffen, um einen finanziellen Vorteil zu erlangen.
Das Gericht stellte klar, dass bewusst unwahre Erklärungen eines Arbeitnehmers in einem gerichtlichen Verfahren gegen den Arbeitgeber einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen.
„Ein Arbeitnehmer, der vorsätzlich falsch vorträgt, um sich einen Vorteil im Rechtsstreit zu verschaffen, verletzt in erheblicher Weise seine Rücksichtnahmepflicht, auch wenn das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt ist.“
Damit sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitgeberin unzumutbar gewesen. Die außerordentliche Kündigung vom 21. Februar 2024 war daher wirksam.
Das LAG sah im Verhalten des Klägers einen versuchten Prozessbetrug, der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, 11.12.2003 – 2 AZR 36/03) grundsätzlich geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitnehmer auch im Rahmen von gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber an ihre Wahrheitspflicht und die vertragliche Rücksichtnahmepflicht gebunden bleiben.
Wer im Prozess bewusst falsche Tatsachen vorträgt, riskiert nicht nur den Prozessverlust, sondern auch den sofortigen Verlust des Arbeitsplatzes.
Für Arbeitgeber bedeutet die Entscheidung, dass vorsätzliche Täuschungsversuche im Prozess als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung anerkannt werden können – vorausgesetzt, die Unwahrheit der Behauptung ist nachweisbar.