GeschGehG im Arbeitsgerichtsprozess: Keine Geheimhaltung ohne Substanz – LAG lehnt Schutz für abstrakte Überwachungsmethode ab
Hessisches LAG v. 13.10.2025 – 18 Ta 699/25
Mit der zum April 2025 in Kraft getretenen Vorschrift des § 273a ZPO können Parteien in Zivil- und Arbeitsgerichtsverfahren beantragen, bestimmte Informationen als geheimhaltungsbedürftig einzustufen. Damit ist der Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Prozess auch außerhalb klassischer „Geschäftsgeheimnisstreitsachen“ (§§ 16 ff. GeschGehG) möglich.
Das Hessische LAG hat nun klargestellt: Eine bloß abstrakte Beschreibung einer Überwachungsmethode genügt nicht, um Geheimnisschutz zu beanspruchen.
Die Beklagte, ein Unternehmen der Deutschen Börse AG, wollte im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens erreichen, dass Informationen zur internen Überwachungsmethode „P* M*“ als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden.
Sie argumentierte, dass die Offenlegung der Funktionsweise die Effektivität der Marktüberwachung gefährde und Wettbewerbern Einblick in ihre Kontrollmechanismen verschaffe.
Das Arbeitsgericht lehnte den Antrag ab, das Landesarbeitsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Das Hessische LAG hielt den Antrag nach § 273a ZPO i. V. m. §§ 16, 19 GeschGehG grundsätzlich für zulässig – inhaltlich, aber unbegründet.
Die Funktionsweise der Überwachungsmethode sei nicht hinreichend konkret beschrieben, um als „Information“ im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG zu gelten.
Ein Geschäftsgeheimnis liege nur dann vor, wenn die Darstellung so konkret ist, dass fachkundige Dritte daraus die Methode nachvollziehen oder nachbilden könnten.
Die Beklagte habe lediglich pauschal behauptet, es handele sich um ein Geheimnis ohne zu erläutern, was genau das Besondere an der Methode sei oder welche Bestandteile von anderen marktüblichen Lösungen abweichen.
Das Gericht betonte, dass die „abstrakte Umschreibung“ einer Überwachungstechnik nicht genügt. Der Schutz des Geschäftsgeheimnisses erfordert, dass das Geheimnis überhaupt identifizierbar und abgrenzbar ist.
Das Urteil verdeutlicht, dass § 273a ZPO kein Freifahrtschein ist, um unliebsame oder unangenehme Informationen pauschal unter Geheimhaltung zu stellen.
Wer im Arbeitsgerichtsprozess den Schutz von Geschäftsgeheimnissen beantragen will, muss:
- konkret darlegen, welche Informationen das Geschäftsgeheimnis bilden,
- glaubhaft machen, dass die Information das Potenzial eines Geheimnisses im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG hat, und
- erläutern, welcher wirtschaftliche oder strategische Wert mit der Geheimhaltung verbunden ist.
Das bloße Interesse an einer internen Vertraulichkeit reicht nicht aus.
Das Hessische LAG stärkt mit dieser Entscheidung die Prozess-Transparenz im Arbeitsrecht:
Nur wer substantiiert vorträgt, was genau geheimhaltungsbedürftig ist, kann sich auf den erweiterten Schutz nach § 273a ZPO berufen.
Eine abstrakte Funktionsbeschreibung etwa einer Überwachungssoftware oder Compliance-Methode bleibt ohne konkrete technische oder organisatorische Details schutzlos.