Kein Kündigungsschutz nach KSchG bei reinem Auslandsbetrieb – Inlandsbezug entscheidend für Betriebsgröße
LAG Rheinland-Pfalz v. 2.9.2025 – 4 SLa 200/24
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden: Für die Anwendung des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 23 Abs. 1 KSchG kommt es allein auf die Zahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer an. Wird ein Arbeitsverhältnis mit deutschem Vertragsstatut auf ein ausländisches Partnerunternehmen übertragen und besteht in Deutschland keine betriebliche Struktur mehr, greift das Kündigungsschutzgesetz nicht, selbst wenn der Beschäftigte weiterhin von Deutschland aus arbeitet.
Der Kläger war seit 1994 für eine deutsche GmbH im technischen Vertrieb tätig. Im Zuge von Umstrukturierungen wurde sein Aufgabenbereich ab den 2000er Jahren schrittweise in ein spanisches Partnerunternehmen verlagert. Seit etwa 2012 war der Kläger der letzte Mitarbeiter seiner Sparte in Deutschland. Ab einem bestimmten Zeitpunkt arbeitete er ausschließlich im Homeoffice, nachdem auch das letzte Büro in seinem Wohnort geschlossen worden war.
Im Jahr 2020 wechselte er im Rahmen eines dreiseitigen Vertrags – formal zu dem spanischen Unternehmen, behielt aber seinen Arbeitsort in Deutschland bei. Die Kommunikation lief über spanische Vorgesetzte, Dienstreisen und Einsätze im spanischen Labor waren regelmäßig. Das Arbeitsverhältnis unterlag weiterhin deutschem Recht.
Im März 2024 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich. Der Kläger klagte gegen die Kündigung und machte geltend, dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde. Zwar sei er der einzige Inlandsbeschäftigte, die übrigen – in Spanien tätigen – Kollegen müssten aber in die betriebsbezogene Mitarbeiterzahl (§ 23 Abs. 1 KSchG) einbezogen werden.
Das Gericht wies die Klage ab. Die Voraussetzungen für den allgemeinen Kündigungsschutz seien nicht erfüllt, da die Schwellenwerte des § 23 Abs. 1 KSchG nicht erreicht seien.
Wichtige Argumente des Gerichts:
- Maßgeblich ist die Anzahl der inländischen Beschäftigten. Für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes kommt es grundsätzlich nur auf die Zahl der im Inland tätigen Arbeitnehmer an. Dies ergibt sich aus dem Territorialitätsprinzip.
- Keine Ausnahmen im konkreten Fall: Zwar kann es aus verfassungsrechtlichen Gründen in bestimmten Konstellationen geboten sein, auch ausländische Arbeitnehmer mitzuzählen – etwa, wenn eine Unternehmensleitung im Ausland sitzt, aber eine ausreichende Zahl Beschäftigter im Inland tätig ist. Solche Umstände lagen hier jedoch nicht vor.
- Keine betrieblichen Strukturen im Inland: Der Kläger war alleiniger Arbeitnehmer im Inland. Die sonstige Betriebsstruktur, einschließlich aller Vorgesetzten und Kollegen, befand sich ausschließlich im Ausland. Unter diesen Umständen liegt kein inländischer „Betrieb“ im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG vor.
- Deutsches Arbeitsrecht bleibt anwendbar – aber mit Grenzen: Dass das Arbeitsverhältnis dem deutschen Recht unterliegt, ändert nichts daran, dass für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes ein betrieblicher Bezug im Inland erforderlich ist.
Fazit:
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung des Inlandsbezugs im Kündigungsschutzrecht. Selbst wenn ein Arbeitsverhältnis deutschem Recht unterliegt, findet das Kündigungsschutzgesetz nur dann Anwendung, wenn eine betriebliche Struktur in Deutschland vorhanden ist und der Arbeitgeber dort mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Einzelarbeitsverhältnisse im Homeoffice ohne inländischen Betrieb bieten keine Grundlage für den allgemeinen Kündigungsschutz auch nicht über eine verfassungskonforme Auslegung.