Wenn ein schneller Kaffee zur Kündigung führen kann

Wenn ein schneller Kaffee zur Kündigung führen kann

Waschmaschine im Homeoffice anstellen, private Telefonate führen, schnell einkaufen auf dem Weg zum Kunden: Was auf den ersten Blick harmlos wirkt, kann arbeitsrechtlich schwer wiegen insbesondere ohne Ausstempeln. In vielen Fällen liegt darin Arbeitszeitbetrug und der kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Was ist Arbeitszeitbetrug?

Arbeitszeitbetrug bedeutet die vorsätzliche Täuschung über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit. Klassische Fälle sind:

  • Falsche Angaben zu Arbeitsbeginn, -ende oder Pausenzeiten
  • Erfassung nicht geleisteter Überstunden
  • Private Tätigkeiten während der Arbeitszeit
  • „Buddy Punching“: sich durch Kollegen ein- oder ausstempeln lassen

Durch solche Manipulationen erschleicht sich der Arbeitnehmer eine Vergütung, auf die kein Anspruch besteht. Entscheidend ist nicht die strafrechtliche Bewertung (§ 263 StGB), sondern der Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber und genau dieser kann eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen.

BAG: Täuschung zerstört das Vertrauen – unabhängig vom Ausmaß

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt klar: Bereits die vorsätzliche Täuschung über Arbeitszeiten kann das Arbeitsverhältnis unwiderruflich beschädigen selbst bei geringer Dauer oder Einzelfällen. Auch eine lange Betriebszugehörigkeit oder das Fehlen vorheriger Abmahnungen schützt nicht automatisch.

Hier:
Eine Arbeitnehmerin trank in einem benachbarten Café für 10 Minuten Kaffee ohne sich auszuloggen. Das LAG Hamm hielt die daraufhin ausgesprochene fristlose Kündigung ohne Abmahnung für rechtmäßig (Urt. v. 27.01.2023 – 13 Sa 1007/22). Die Arbeitnehmerin hatte nicht nur getäuscht, sondern die Tat anschließend auch vertuscht.

Was ist erlaubt – und was nicht?

Erlaubt (sozialadäquat):

  • Toilettengänge
  • kurzer Gang zur Kaffeemaschine
  • kurzer informeller Austausch mit Kollegen

Nicht erlaubt (pflichtwidrig):

  • Private Anrufe oder E-Mails ohne Ausstempeln
  • Raucherpausen ohne Zeiterfassung
  • Hausarbeit im Homeoffice (z. B. Wäsche waschen) während der Arbeitszeit
  • Erledigung privater Wege auf Dienstfahrten (z. B. Umwege zum Supermarkt)

Sonderfall Homeoffice:
Die private Erledigung kleiner Aufgaben (z. B. Paket annehmen) ist schwer kontrollierbar. Dennoch zählen solche Tätigkeiten nicht zur Arbeitszeit und müssen korrekt erfasst oder abgestimmt sein.

Kein Arbeitszeitbetrug: Low Performance & „Quiet Quitting“

Wer bewusst langsam arbeitet, ohne falsche Angaben zur Arbeitszeit zu machen, begeht keinen Arbeitszeitbetrug im engeren Sinne. Solche Fälle gelten als Leistungsunterschreitung, die ebenfalls Konsequenzen haben kann aber oft eine Abmahnung voraussetzt.

Privates Surfen am Arbeitsplatz – wie lange ist zu viel?

Auch beim privaten Internetsurfen kommt es auf das Maß an. In einem BAG-Urteil (Urt. v. 07.07.2005 – 2 AZR 581/04) wurde eine fristlose Kündigung bestätigt, weil der Arbeitnehmer rund 10 % seiner Arbeitszeit mit privaten Internetseiten verbracht hatte ohne Abmahnung und ohne ausdrückliches Verbot.

Arztbesuche während der Arbeitszeit: Nur mit Absprache

Ist der Arbeitnehmer nicht krankgeschrieben, dürfen Arzttermine während der Arbeitszeit nur nach Absprache mit dem Arbeitgeber wahrgenommen werden. Vorsorgeuntersuchungen oder Routinechecks gelten nicht automatisch als Arbeitszeit, es sei denn, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung sehen etwas anderes vor.

Datenschutz schützt nicht bei Betrug

Das BAG hat klargestellt: Auch rechtswidrig erlangte Beweise (z. B. durch Videoüberwachung ohne DSGVO-Grundlage) sind nicht automatisch im Kündigungsschutzprozess ausgeschlossen. Entscheidend ist, wie schwerwiegendder Vertrauensbruch ist (BAG, Urt. v. 29.06.2023 – 2 AZR 296/22).

Beispiel:
Ein Arbeitnehmer verließ zu Schichtbeginn unerlaubt das Gelände, ließ sich aber dennoch die volle Zeit vergüten. Die Aufnahmen waren trotz Datenschutzverstoßes verwertbar.

Kosten für Detektei & Anwalt: Erstattungsfähig bei Betrugsnachweis

Wenn sich ein konkreter Verdacht auf eine erhebliche Pflichtverletzung bestätigt, kann der Arbeitnehmer verpflichtet sein, dem Arbeitgeber die Ermittlungs- und Anwaltskosten zu erstatten (LAG Köln, Urt. v. 11.02.2025 – 7 Sa 635/23; BAG, Urt. v. 29.04.2021 – 8 AZR 276/20).

Fazit:

Arbeitszeitbetrug ist kein Bagatelldelikt die Gerichte nehmen Täuschung über die Arbeitszeit sehr ernst. Dennoch sollten Arbeitgeber:

  • ihre Beschäftigten über korrekte Zeiterfassung und Pflichten aufklären,
  • auf klare Regelungen in Betriebsvereinbarungen, Arbeitsverträgen und Homeoffice-Vereinbarungen achten,
  • bei Verstößen angemessen, aber konsequent reagieren.

Und: Datenschutzkonformität bei Ermittlungen nicht vergessen! Verstöße gegen die DSGVO können hohe Bußgelder nach sich ziehen, auch wenn die Kündigung im Arbeitsgerichtsprozess Bestand hat.