Telefonkonferenz zur richterlichen Nachberatung weiterhin zulässig – auch nach Gesetzesänderung
BAG v. 9.9.2025 – 5 AZN 142/25
Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung bestätigt, dass eine richterliche Nachberatung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung weiterhin per Telefonkonferenz zulässig ist vorausgesetzt, bestimmte Bedingungen sind erfüllt. Dies gilt auch nach der Neuregelung des § 193 GVG und § 9 ArbGG, die zum 19.07.2024 in Kraft getreten ist.
In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung sowie in der Berufungsinstanz über Annahmeverzugslohn. Das Landesarbeitsgericht hatte bereits über das Urteil beraten und abgestimmt, es aber noch nicht verkündet, als ein weiterer Schriftsatz einging.
Ein ehrenamtlicher Richter, der zuvor an der Beratung teilgenommen hatte, befand sich zu diesem Zeitpunkt in Reha. Eine Beteiligung an der erneuten Beratung über eine mögliche Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung erfolgte nicht mit erheblichen Folgen: Das BAG sah das LAG-Urteil als mit einem Besetzungsmangel behaftet an und hob es teilweise auf.
Grundsätzlich gilt: Auch nach Abschluss der richterlichen Beratung und Abstimmung, aber vor Verkündung des Urteils, müssen neu eingehende Schriftsätze beachtet werden. Das Gericht muss prüfen, ob eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung notwendig ist und dies in vollständiger Besetzung.
Laut BAG ist es auch nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften weiterhin zulässig, diese Nachberatung im Wege einer Telefonkonferenz durchzuführen. Voraussetzungen:
- Einverständnis aller beteiligten Richter
- Alle Richter müssen gleichzeitig miteinander kommunizieren können
- Die gesamte Kommunikation muss für alle Beteiligten vollständig hörbar sein
- Es muss möglich sein, auf Wunsch in eine Präsenzberatung zu wechseln
Im entschiedenen Fall war einer der ehrenamtlichen Richter bei der Beratung über die Wiedereröffnung nicht beteiligt. Zwar hätte er sich – trotz Reha – telefonisch zuschalten können, was weder versucht noch geprüft wurde. Auch eine Terminverlegung zur Präsenzberatung wurde nicht in Betracht gezogen. Für das BAG ein klarer Verfahrensfehler: Das Gericht war nicht ordnungsgemäß besetzt (§ 547 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 72 ArbGG).
Fazit
Die Entscheidung verdeutlicht, dass auch technische Lösungen wie Telefonkonferenzen im gerichtlichen Beratungsprozess rechtlich zulässig und sinnvoll sind insbesondere zur Wahrung der Verfahrensökonomie. Allerdings müssen alle Verfahrensbeteiligten aktiv sicherstellen, dass gesetzliche Vorgaben zur Besetzung und Mitwirkung eingehalten werden. Andernfalls droht ein schwerwiegender formeller Mangel, der zur Aufhebung des Urteils führen kann.