Druckkündigung – Arbeitgeber muss sich schützend vor Arbeitnehmer stellen

Druckkündigung - Arbeitgeber muss sich schützend vor Arbeitnehmer stellen

LAG Niedersachsen – 10 SLa 687/24

Mit Urteil vom 13. Mai 2025 hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen klargestellt, dass an eine sogenannte Druckkündigung also eine Kündigung unter dem Druck Dritter, etwa der Belegschaft besonders hohe rechtliche Anforderungen zu stellen sind. Zudem dürfen Arbeitgeber bei einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist keinen Auflösungsantrag stellen auch dann nicht, wenn eine ordentliche Kündigung tariflich ausgeschlossen ist.

Der Fall: Druck durch die Belegschaft führt zur Kündigung

Ein langjähriger Mitarbeiter eines tarifgebundenen Verkehrsunternehmens, der aufgrund seines Alters und seiner Betriebszugehörigkeit besonderen Kündigungsschutz genoss, wurde im Jahr 2023 außerordentlich mit Auslauffrist gekündigt. Hintergrund war eine massiv angespannte Stimmung im Betrieb: Immer wieder kam es zu Konflikten zwischen dem Kläger und Teilen der Belegschaft. Schließlich drohten zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, das Unternehmen zu verlassen oder eine Versetzung zu beantragen, sollte der Kläger weiterhin beschäftigt werden. Die Arbeitgeberin befürchtete erhebliche betriebliche Nachteile bis hin zu Massenkündigungen und Störungen des Betriebsablaufs und sprach daraufhin die Kündigung aus.

Parallel stellte sie einen hilfsweisen Auflösungsantrag für den Fall, dass das Gericht die Kündigung für unwirksam halten sollte. Begründet wurde dies mit der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, zumal eine ordentliche Kündigung aufgrund tariflicher Regelungen ausgeschlossen war.

Die Entscheidung: Kein Kündigungsgrund – kein Auflösungsantrag

Das LAG Niedersachsen wies sowohl die Kündigung als auch den Auflösungsantrag zurück.

  1. Strenge Anforderungen an Druckkündigungen

Nach Ansicht des Gerichts dürfen Arbeitgeber einer Drucksituation also massiven Forderungen der Belegschaft nach Kündigung eines Kollegen nicht vorschnell nachgeben. Vielmehr verlangt die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht, dass sie sich zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellen und alle zumutbaren Maßnahmen zur Konfliktlösung ausschöpfen. Dazu zählen etwa:

  • Angebote zur Mediation,
  • klare interne Kommunikation und Vermittlungsversuche,
  • gezielte Maßnahmen zur Deeskalation,
  • eine Positionierung gegen Ausgrenzung oder diskriminierendes Verhalten im Betrieb.

Diese Maßnahmen müsse der Arbeitgeber konkret nachweisen. Im entschiedenen Fall fehlte es laut LAG an ausreichenden und ernsthaften Deeskalationsversuchen. Allein der Hinweis auf das angespannte Betriebsklima und die Drohungen der Belegschaft reiche nicht aus, um eine Druckkündigung zu rechtfertigen. Auch außerhalb einer Drucksituation lagen keine Umstände vor, die eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) hätten rechtfertigen können insbesondere fehlte es an einer einschlägigen Abmahnung.

  1. Kein Auflösungsantrag durch den Arbeitgeber bei unwirksamer außerordentlicher Kündigung

Besonders deutlich äußerte sich das Gericht zur Frage des arbeitgeberseitigen Auflösungsantrags: Nach der gesetzlichen Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG ist bei einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist, sofern diese sich im Kündigungsschutzverfahren als unwirksam herausstellt ausschließlich der Arbeitnehmer berechtigt, die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen.

Ein „Ausweichweg“ für den Arbeitgeber über den hilfsweisen Auflösungsantrag ist auch dann ausgeschlossen, wenn eine ordentliche Kündigung tariflich nicht mehr möglich ist. Die analoge Anwendung des § 9 KSchG zugunsten des Arbeitgebers lehnte das Gericht ausdrücklich ab.

Praxishinweis: Gründliche Konfliktklärung und Dokumentation entscheidend

Das Urteil betont einmal mehr: Arbeitgeber dürfen sich dem Druck Dritter nicht vorschnell beugen. Bevor eine Druckkündigung in Betracht kommt, sind gründliche, nachweisbare Maßnahmen zur Konfliktlösung erforderlich. Dazu zählen insbesondere:

  • Mediationen mit allen Beteiligten,
  • Dokumentation interner Maßnahmen,
  • Führung von Personalgesprächen,
  • eindeutige Haltung des Arbeitgebers gegen diskriminierendes oder ausgrenzendes Verhalten.

 

Darüber hinaus macht die Entscheidung deutlich, dass Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses nicht auf einen „Plan B“ in Form eines Auflösungsantrags setzen können, wenn eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist scheitert. In solchen Fällen ist die gesetzliche Regelung eindeutig: Ein Auflösungsantrag ist allein dem Arbeitnehmer vorbehalten.