Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG: MS-Office Kenntnisse müssen nicht mit Zeugnissen belegt werden

Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG: MS-Office Kenntnisse müssen nicht mit Zeugnissen belegt werden

ArbG Essen v. 24.6.2025 – 2 Ca 463/25

Arbeitgeber dürfen aus dem Fehlen von Zeugnissen oder Zertifikaten über MS-Office-Kenntnisse nicht auf mangelnde Eignung schließen insbesondere dann nicht, wenn die Kenntnisse im Lebenslauf oder Anschreiben plausibel dargelegt wurden. Das gilt auch für öffentliche Arbeitgeber bei der Entscheidung über Einladungen zum Vorstellungsgespräch schwerbehinderter Bewerber.

Das Arbeitsgericht Essen hat einem schwerbehinderten Bewerber eine Entschädigung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern (3.450 €) nach § 15 Abs. 2 AGG zugesprochen.

Der Fall: Der Kläger hatte sich 2024 auf eine Teilzeitstelle im Sekretariat einer Körperschaft des öffentlichen Rechts beworben. Die Stelle verlangte u.a. „sehr gute MS-Office-Kenntnisse möglichst nachgewiesen“. Der Kläger wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Er machte daraufhin eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund seiner Schwerbehinderung geltend.

Das Gericht stellte klar: Der Beklagte hätte den Kläger gemäß § 165 Satz 3 SGB IX zum Vorstellungsgespräch einladen müssen. Die Ausnahme nach Satz 4 bei offensichtlicher Nichteignung greife hier nicht. Der Kläger hatte sowohl seinen beruflichen Werdegang als auch den routinierten Umgang mit gängigen Office-Anwendungen dargelegt. Der bloße Verzicht auf Zertifikate oder Zeugnisse über MS-Office-Kenntnisse rechtfertige nicht die Annahme mangelnder Eignung. Solche Kenntnisse seien heute vielfach selbstverständlich und könnten auch ohne formale Schulung im Berufsalltag erworben werden.

Auch der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs wurde zurückgewiesen: Zwar sei die Bewerbung knappgehalten, lasse jedoch keine Anzeichen für fehlendes Interesse an der Stelle erkennen.

Fazit: Öffentliche Arbeitgeber müssen bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen besonders sorgfältig prüfen, ob eine Einladungspflicht besteht. Anforderungen wie MS-Office-Kenntnisse dürfen nicht vorschnell als formale Ausschlusskriterien verwendet werden, wenn die fachliche Eignung auch auf anderem Wege dargelegt wurde.